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Nostalgie als trügerischer Freund - Das Stefan Raab Comeback

  • Autorenbild: Felix Knorr
    Felix Knorr
  • 16. Sept. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Die Fernsehlandschaft versammelt sich vor dem Fernseher und möchte sich in die glorreichen Jahre der Raab'chen Spielshows und Unterhaltsformate zurückversetzt fühlen. Knapp zehn Jahre nach Stefan Raabs letzter TV Total-Sendung kündigte der Entertainer sein Comeback auf Instagram an. Ausgerechnet ein dritter und letzter Boxkampf gegen Ex-Weltmeisterin Regina Halmich, die ihn zuvor 2001 und 2007 im Ring bezwang, soll seine Rückkehr vor die Kameras einläuten. Geglücktes Aufleben alter Tage oder eine Show der großen Enttäuschung?

Stefan Raab und Regina Halmich stehen wieder im Ring
Stefan Raab und Regina Halmich stehen wieder im Ring © Raab Entertainment/Willi Weber

Neue Kanäle als Ankündigung

Auf den sozialen Netzwerken folgten weitere Clips, Vorfreude bei alten Fans und jungen Neugierigen sollte entfacht werden. Raab präsentiert sich in den kurzen Beiträgen als zurückgezogener Naturbursche, der noch eine letzte Rechnung offen hat. Im Fatsuit wird er von Pamela Reif begleitet und schließlich zum Schönheitschirugen, verkörpert von Buddy Michael ,,Bully‘‘ Herbig, geschickt. ,,Joa, ist doch ganz hübsch geworden‘‘, verlautet Bully, woraufhin Raab in grotesek-makelloser Montur für die Kamera posiert.


Wie wird Raab nach gut einer Dekade aussehen? Hat er heimlich im privaten Trainingsraum gepumpt und steigt als Muskelprotz in den Ring? Taucht das Kölner Schlitzohr überhaupt auf oder avanciert das Event zum größten Prank der Fernsehgeschichte? Die Spekulationen rund um die Show brodelten bei den Followern. Millionenfach wurden die Videos geklickt, zahlreich kommentiert. Ein erfolgreiche Marketingkampagne, die dem ohnehin ersehnten Comeback eine mythische Ebene verleiht. Und dabei handelte es sich ,,nur‘‘ um einen Boxkampf, den es in ähnlicher Form bereits gegeben hat.


Mit RTL hatte das Sportevent von Raab eine neue Heimat gefunden, der ehemalige Haussender ProSieben mit Joko & Klaas neue Zugpferde im Stall. Die restliche Beteiligung von Der Final Fight erinnert jedoch an die Blütezeit von Schlag den Raab & Co.: Showpraktikant und Moderator Elton führt durch den mehrstündigen Abend, kommentiert wird das Geschehen von Frank ,,Buschi‘‘ Buschmann. Laura Wontorra komplimentierte das Ensemble.


Das großte TV-Total Rätselraten, um Stefan Raabs Comeback (DGTVTRUSRC)

Interessant wurde es um 20:15 Uhr also auch für Fernsehfreunde, die sich nicht für kompetitiven Kontaktsport interessieren. Die festen Regeln und der generelle Showaspekt des (professionellen) Boxens senken die Fallhöhe und minderten bereits vor Übertragung das Risiko für Enttäuschungen. Trotz hoher Erwartungen und der immensen Quoten könnte man geglückte, überraschende oder emotionale Aspekte als Bonus verkaufen.


Als die versammelte Zuschauerschaft (die Quoten gingen erwartungsgemäß durch die Decke) vom moderierenden Dreiergespann begrüßt wird, führen sie das muntere Rätselraten fort. Angeblich weiß keiner im Saal so richtig, was an dem Abend passieren wird. Von einem Boxring fehlt jegliche Spur. Das Publikum, zum Großteil aus RTL-Gesichtern und Trash-TV-Teilnehmenden bestehend, wird über Raabs Karriere ausgefragt. Die Fremd- und Selbstbeweihräucherung im Showgewand beginnt.

'The Killerplautze'' überrascht - leider nur physisch
''The Killerplautze'' überrascht - leider nur physisch © Raab Entertainment/Willi Weber

Dass ein Spannungsbogen von Aufbau und Verzögerung lebt, gilt als logische Konsequenz für die heiß erwartete Veranstaltung. In der Zwischenzeit lassen sich Prominente und Raab-Freunde wie Joey Kelly, Thomas Gottschalk oder Anne Will ablichten, um die Errungenschaften des Entertainers hochleben zu lassen. Wenn Markus Lanz dich ausgiebig lobt, hast du große Charakterprobleme.  Es folgen zahlreiche Best-Of-Momente. Im Schnitt sehen wir Teile vom Publikum, die eher an die große RTL-Weihnachtsfeier erinnern. Eine Boomer-Veranstaltung, die den antiquierten Humor einer Fernsehlegende feiert, um Nostalgie aufkommen zu lassen.


Wir kennen die mediale Historie zu Genüge, viele haben TV Total DVD-Collections angestaubt im Regal liegen. Stefan Raab, der erste Memelord seiner Zeit, konnte die Late Night Show in Deutschland revolutionieren. Im Alleingang führte er Lena zum ESC-Erfolg und bei Schlag den Raab verlor er quasi nie. Hol mir mal ne Flasche Bier, hier kommt die Maus.


Ein Mann, der sich selbst feiert - auch nach Niederlagen

Nach zwei Stunden beginnt der Boxkampf. Regina Halmich tritt in die Manege, damit der pompöse Auftritt des Raabinators erfolgen kann. Mit verschwenderischer Verzögerung, mehreren musikalischen Einlagen (u.a. Helge Schneider mit Katzeklo und Pamela Reif als schwebender Engel) und – tatsächlich – in bestechender Form präsentiert Raab sein breites Grinsen. Feuerwerk und Lichtspiel. Inszenierung als kolossale Behauptung. Das Ego erlaubt nur den größtmöglichen Ansatz, doch der Entrance wirkt nie organisch (Erfolgreich ist er, wie immer, dennoch: Sein eigens komponiertes und performtes Einlauflied Pa aufs Maul stürmt die Charts).


Als die Ringrichterin schließlich den Kampf eröffnet, scheint die erste Spannung verflogen zu sein. Das Boxen war ohnehin nur ein Aufhänger für die große Ego-Einlage und der Nachruf auf eine vermeintlich bessere Zeit. Der Boxkampf verläuft unspektakulär, die tapfere Halmich gewinnt ein drittes Mal. Nach dem behaupteten Spektakel die wahre Offenbarung: Raab macht wieder Shows, er bleibt RTL erhalten. Und einem Publikum, dass ,,ohne gute Unterhaltung aufwachsen musste‘‘, so Raab.

Auf der Pressekonferenz kündigt Raab seine neue Show ''Du gewinnst hier nicht die Million'' an
Auf der Pressekonferenz kündigt Raab seine neue Show ''Du gewinnst hier nicht die Million'' an © Raab Entertainment/Willi Weber

Stefan Raab hat zweifellos ein Vermächtnis, das aktuelle Fernsehgiganten inspiriert haben dürfte. Formate von Joko & Klaas gäbe es ohne sein Schaffen nicht, das betonen die beiden Moderatoren und Produzenten selbst stetig. Den Samstagabend regierte Raab über Jahre hinweg, Konkurrenz gab es höchstens in Form von Wetten, dass..? und Fußball-Länderspielen. Eine ganze Generation, die mit guter Unterhaltung aufgewachsen ist. Doch Glorifizierungen von Personen sind einer bestimmten Zeit geschuldet. Der inflationäre Gebrauch der episodenhaften Rückblenden beweist, dass Nostalgie zu einem trügerischen Gefühl verkommt.

Es wäre so einfach gewesen. Alle freuten sich auf das große Comeback oder waren zumindest interessiert. Doch Egos von Unterhaltungsgrößen lassen nur absurd teure, überfrachtete und gleichzeitig Lücken füllende Shows zu. Ein laut krachendes und vielfach ankündigendes Nichts, bei dem zwischenzeitlich ein Boxkampf stattfindet. Kein Biss, erst recht keine Seele. TV Total und Raab hätten diese Shitshow in den 2000ern verarscht, doch nun biedert sich der einstige Alleinunterhalter dem neuen Sender an.  Auf der abschließenden Pressekonferenz singt er in gewohnter Manier. ,,Das ist jetzt mein RTL. Willkommen zuhause‘‘. Man kann nur fürchten, dass das Vermächtnis durch die künftigen Formate endgültig bröckeln wird. Innovationen wären wünschenswert, doch die Nostalgie gilt als tödlicher Freund.

 

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