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Filmkritik: The Bikeriders

  • Autorenbild: Felix Knorr
    Felix Knorr
  • 19. Juni 2024
  • 4 Min. Lesezeit

In den 1960er Jahren gründete sich in Chicago ein Motorrad-Club. Jeff Nichols erzählt die Geschichte der Vandals basierend auf dem Fotobuch des Journalisten Danny Lyon. Sind Tom Hardy, Austin Butler & Co. so cool wie die Easy Rider?


The Bikeriders (2024: Jeff Nichols), Kinostart: 20. Juni 2024


Bennys (Austin Butler) Leben dreht sich Mitte der 1960er-Jahre um genau zwei Dinge: die Leidenschaft für den Motorrad-Club der Vandals unter Anführer Johnny (Tom Hardy) und die Liebe zu seiner Frau Kathy (Jodie Comer), die ihn vom ersten Moment an als den unzähmbaren Rebellen akzeptiert, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hat. Doch ihre hingebungsvolle Beziehung wird im Laufe der Jahre zunehmend auf die Probe gestellt, denn Benny hat sowohl dem charismatischen Johnny als auch seiner Frau die Treue geschworen. Schon bald werden die Vandals nicht nur immer größer, sondern auch gefährlicher. Benny muss sich entscheiden zwischen seiner Loyalität zu Johnny und seiner Liebe zu Kathy.

Austin Butler & Jodie Comer in The Bikeriders
© UPI

Brumm Brumm Brumm

Nahezu auf absurde Weise entstehen die Vandals im Chicago der 1960er Jahre. Als Anführer Johnny Der Wilde mit Marlon Brando im Fernsehprogramm bewundert, erkennt er eine Chance. Die Hollywood-Ikone mimt einen Leader einer Rockerbande. Johnny möchte dem Idol einer ganzen Generation nacheifern und gründet den Motorrad-Club. Zeitvertreib für den wortkargen Rädelsführer. Die Flucht aus der Mittelmäßigkeit.


In der Gang gibt es klare Hierarchien, auch wenn die männerbündische Gemeinschaft stets zum klischeehaften Getue verkommt. Dem Stereotyp muss entsprochen werden. Vergleiche zu Epen wie GoodFellas oder Boogie Nights liegen nahe: Ein Männer dominierender Mikrokosmos, der in einem bestimmten Milieu, während einer bestimmten zeitlichen Periode eine gesellschaftliche Norm abbildet.


Alles für den Club

The Bikeriders erzählt das muntere Treiben aus der Sicht einer Frau. Die junge Kathy wird von ihrer Freundin in die Bar mitgeschleppt, die als Stammkneipe für die Biker-Gang fungiert. Im lächerlich-tosenden Getümmel wird sie von den Männern in Kute gelöchert. Ihr anfänglicher Ekel vor Testosteron und Bierfahne entwickelt sich rasch in Neugierde, als sie in die aufständischen Augen von Benny blickt.


Ähnlich wie Hardys Charakter muss der junge Wilde zu viel in die Röhre geschaut haben. Ihm dürfte das schicksalhafte Leben des ewigen Rebellen James Dean fasziniert haben. Benny scheint vor nichts zurückzuweichen. Für ihn zählt nur der Motorrad-Club, kein Gedanke an Konsequenzen wird verschwendet. Kathy verliebt sich in ihn und wird kurzerhand seine Ehefrau. Johnny bildet eine ambivalente Beziehung zu ihm auf – er möchte einen Vaterersatz darstellen, gleichzeitig entwickelt er eine in Neid driftende Begeisterung für dessen Unbekümmertheit.

Tom Hary in The Bikeriders
© UPI

Biker-Gang aus dem Fotobuch

Jeff Nichols Filmografie zeichnet sich u.a. durch Geschichten über innerlich zerrissene Männer-Figuren aus. In Take Shelter - Ein Sturm zieht auf metaphorisiert sich dies etwa durch konkrete Visionen, die der von Michael Shannon verkörperte Protagonist erfährt. Bei Mud - Kein Ausweg kümmern sich zwei Heranwachsende um einen heruntergekommenen Kriminellen, der sich gleichzeitig zur Vaterfigur für die Teenager entwickelt. Greifbare Konstellationen, die das Innenleben aufzeigen und Rollenbilder kontrakarieren.


Sein neuestes Werk fügt sich thematisch nahtlos in die Vita des amerikanischen Regisseurs ein. Der Stoff basiert auf dem gleichnamigen Fotobuch des Journalisten Danny Leon. Dieser war selbst Mitglied im Chicago Outlaw Motorcycle Club, der den Hintergrund für die Vandals abbildet. Im Film wird er von Mike Faist gespielt und dient als Stützpunkt für Kathys Erzählungen; auf Tour schießt er unzählige Bilder von den Mitgliedern.


Reproduktion auf zwei Rädern

Die wage Einführung der Charakter und deren Hintergründe verbindet sich mit generischen Situationen. Narrativ wurden lediglich Bruchstücke offenbart, um einen temporeichen Thriller zu vermeiden. Leider hat man jegliche Entwicklung einer machohaften bis kriminellen Gemeinschaft, die auch nur aus Menschen besteht, schon unzählige Male gesehen. Typen, die sich an der Oberfläche aufspielen, doch aufgrund vergangener Einflüsse innerlich verwundbar sind. Möchte der Film diesen Einheitsbrei vermitteln?


Glücklicherweise wird Gezeigtes weder romantisiert noch überschwänglich kritisch eingeordnet. Allerdings passen sich die biedere Inszenierung und das monotone Episodenhafte der Fragilität einer erzwungenen Maskulinität an. Nichols orientierte sich beim Framing an den Bildern von Danny Lyon, wohl um eine authentische Übertragung zu wahren. Dass Fotographie und Film nicht kongruent sind, lässt sich am fehlenden Risiko für die Gestaltung in The Bikeriders erkennen. Auch der Fokus auf die Perspektive von Kathy bleibt fraglich. Eine Umformung des Blickpunkts, die nie symbolisch in das Geschehen eingreift.

Austin Butler und die Vandals in The Bikeriders
© UPI

Guys being Dudes

Dabei liefert Jodie Comer eine energische, ambivalente Leistung ab. Obwohl die Figur, eine Frau mit Durchsetzungskraft im fragilen Gebilde der Maskulinität, durchaus Potential hat, bleibt der Fokus hauptsächlich bei den Männern auf Motorrad.


Butler passt ideal als James Dean Verschnitt, doch die Figur eines zügellosen Rebellen muss sich seit Rebel Without a Cause schon repetitiv angefühlt haben. Lediglich Hardys Bandenführer erhält eine interessante Dimension. Der scheinbar toughe Kerl muss sich aufgrund von zu viel Medienkonsum und der Flucht aus dem Alltag beweisen. Wie er in dieses unheilvolle Umfeld gelangt ist, weiß der Familienvater gar nicht mehr. Innerlich spürt er, dass seine Zeit seit der Gründung abgelaufen ist.


Denn nicht nur die Protagonisten werden von ihrem inneren Selbst eingeholt, sondern auch die Zeiten ändern sich. Die Geschichte umfasst die Jahre 1965 bis 1973, die insbesondere durch den Vietnam-Krieg einschneidend für junge Männer waren. Die Vandals verbinden sich als verlorene Seelen, doch der Club wird schließlich vereinbart. Das Männerbündische eskaliert und mündet in Machtübernahmen, Gewalteskapaden und organisierte Kriminalität. Eigentlich gute Männer, schlechte Männer, böse Männer. Eine schicksalhafte Periode, die sich stetig reproduziert. Ironischerweise auch durch diesen Film.


The Bikeriders ist ein partiell atmosphärisches Porträt einer fragilen Gemeinschaft, dem die Durchschlagskraft fehlt. Während auf dem Highway die Maschinen aufheulen, ließe sich der Leerlauf unter anderen Blickpunkten als angenehm entschleunigt verkaufen. Die lächerlich-verkommene Offenbarung eines Motorrad-Clubs beinhaltet allerdings den Umstand an sich. Und dem ordnet sich die Erzählung sowie Inszenierung ohne jegliches Risiko unter.

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