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Filmkritik: The Mastermind

  • Autorenbild: Felix Knorr
    Felix Knorr
  • 23. Sept.
  • 3 Min. Lesezeit

Kelly Reichardt wagt sich an das Genre des Heist-Film und arbeitet dafür mit einem der talentiertesten Jungschauspieler unserer Zeit zusammen. Wie ist das Projekt gelungen?


The Mastermind (2025: Kelly Reichardt), Kinostart: 16. Oktober 2025

Im Jahr 1970 wagt ein arbeitsloser Tischler gemeinsam mit zwei Komplizen einen dreisten Coup: Mitten am Tag entwenden sie vier Gemälde aus einem Museum. Doch der spektakuläre Raub markiert nur den Auftakt. Die erhoffte Beute erweist sich bald als Bürde, und der Haupttäter wird in ein Leben auf der Flucht gedrängt. Vor dem Hintergrund einer Epoche des gesellschaftlichen Umbruchs entfaltet sich das Porträt eines Mannes, der zwischen Kunst, Kriminalität und den Verwerfungen seiner Zeit nach Halt sucht.


Filmabend der Familie Young in Here
Josh O'Connor spielt einen Kunstdieb © Mubi

Nüchtern observieren

Wer bei dem Inhalt von Kelly Reichardts neuestem Werk auf einen spannungsgeladenen Heist-Film schließt, dürfte sich nur bedingt mit dem Schaffen der US-amerikanischen Regisseurin auseinandergesetzt haben. Die Independent-Filmemacherin ist bekannt für ihre minimalistische und naturalistische Handschrift.


Das heißt nicht, dass ihre Filme nicht auch durch ihre dichte Machart fesseln können. So denkt man beispielsweise an den ruhigen Politthriller Night Moves, in dem es um drei Öko-Aktivisten geht, die einen Anschlag auf einen Stausee planen. Allerdings geht es nie um eine Bandbreite an ekstatischen Szenen, Reichardt bleibt gerne ganz nah bei ihren Protagonisten


Es wird Zeit, abzudanken

In The Mastermind zentriert sie nun einen arbeitslosen Familienvater, der durch einen Kunstraub seinem Leben den nötigen Sinn verleihen möchte. Gleichzeitig geht es auch um finanzielle Sicherheit in einer unsicheren Welt – so hört man immer wieder Berichterstattung vom Vietnamkrieg und der aufsprudelnden Frauenbewegung – doch die aufkeimende Abwärtsspirale signalisiert deutlich, dass der verzweifelte Mann abgedankt hat.


Früher Hausbau in Here
Alain Haim gibt seine Ehefrau © Mubi

So abstrus und amüsant der anfängliche Kunstraub auch inszeniert sein mag, umso steiler geht für James Blaine „JB“ Mooney bergab. Und diese Talfahrt erzählt Reichardt in ihrer herrlich lakonischen Gangart, dass man stets das Gefühl hat, die Geschichte würde ganz nebenbei verlaufen. So nimmt sie ihre Figuren ernst: Zwar bekommt er in einer undankbaren Welt kein Mitleid, doch wird sein Schicksal stets ernst genommen. Gleichzeitig zeigen sich auch die Auswirkungen auf seine Familie, die er mit seiner waghalsigen Aktion ebenfalls bedroht hat


Gebückte Haltung

Man könnte meinen, dass The Mastermind eine Abrechnung mit den verspielten Heist-Filmen a la Oceans 11 symbolisiert. Reichardt sucht sich nämlich eher Anleihen an das französische Genrekino der 1950er- und 1960er Jahre. So blitzen durch ihre beobachtenden und zurückgenommenen Bilder Jean-Pierre Melville oder Robert Bresson durch. Wenn der von Josh O’Connor gemimte Ganove minutiös die Ware auf einer abgelegenen Scheune drapiert, dann kommen einen Klassiker wie Rififi oder Le Trou in den Sinn.


Generell wirkt der herrlich subtil aufspielende Josh O’Connor wie aus der Zeit gefallen. Ähnlich wie in La chimera tapst er durch vergangen wirkende Aufnahmen, schick und gleichzeitig schmuddelig gekleidet, als rieche er nach Tabak, Schweiß und Melancholie. Selbstmitleid lässt sich nur durch seine geknickte Haltung erahnen, für große Emotionen scheint der Stolz zu groß zu sein. Der restliche Cast ist mit Alaina Haim, John Magaro oder Bill Camp üppig bestückt, doch der Einzelgänger mit Schiebermütze bleibt im ungewollten Fokus.


The Mastermind reiht sich in Reichardts Riege an klein-großen Filmen. Seit Old Joy strotzen sie von humanistischen Ansätzen und subtilen Emotionen. Bereits dem Westerngenre hat sie mit Meek’s Cutoff oder First Cow ihren eigenen Stempel aufgedrückt, mit dem Heist-Film gelingt ihr das nun auf ähnliche Weise. Reichardts karge und zweckbetonte (im besten Sinne) Inszenierung täuscht aber nicht darüber hinweg, dass sie ihren Figuren immer ganz nah ist. Auch dann noch, wenn sie sie durch den Abgrund der USA schicken muss, um ihr eine Lektion zu erteilen.

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