Filmkritik: The Flash
- Felix Knorr

- 15. Juni 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Juni 2023
Für einen millionenschweren Blockbuster scheint Ezra Miller geläutert zu sein. Trotz schwerwiegender Vorwürfe und Verurteilungen bekleidet Miller erneut die Rolle des superschnellen Superheldens Barry Allen alias The Flash. Wie sich dieses Unterfangen im titelgebenden Film äußert und inwiefern das Abtauchen in Parallele Dimensionen gelingt, erfahrt ihr nun.
The Flash (2023: Andy Muschietti)
Barry Allen (Ezra Miller) setzt seine Superkräfte ein, um in der Zeit zurückzureisen und vergangene Ereignisse zu manipulieren. Doch bei dem Versuch, seine Familie zu retten, verändert er versehentlich die Zukunft – und sieht sich plötzlich in einer Realität gefangen, in der General Zod (Michael Shannon) zurückgekehrt ist, mit totaler Vernichtung droht und es keine Superhelden gibt, die zu Hilfe kommen könnten. Barrys einzige Hoffnung besteht darin, einen völlig anderen Batman (Michael Keaton) aus dem Ruhestand zurückzuholen und einen gefangenen Kryptonier (Antje Traue) zu befreien. Barry muss die Welt retten, in der er sich befindet, um in die Zukunft zurückkehren zu können, die er kennt.

Pflicht des Multiversums
Das DCEU musste es seinem konkurrierenden Halbbruder gleichmachen. Mit The Flash wird nun auch das Multiverse der Batmänner und Superfrauen eingeleitet. Als diese Meta-Ansammlung mit Spider-Man: No Way Home durch Marvel eröffnet wurde, ließ Doctor Strange in the Multiverse of Madness nicht lange auf sich warten, wobei letzterer titelgebende Held quasi das pragmatische Mittel für die Expandierung des Universums personalisiert. In dem dritten Abenteuer von Tom Hollands Spinnenmann posierte der Film nicht nur mit den kultigen Bösewichten Willem Deofe als Green Goblin oder Alfred Molina als Doctor Octopus, sondern wartete gleich mit dem Ur-Spiderman Tobey Maguire und Amazing Andrew Garfield. Mit diesem schillernden Exzess waren Comic- und Superhelden-Fans gleich aus dem Häuschen, als sie ihre Helden von früher mit den jetzigen Franchise-Gesichtern Seite an Seite kämpfen sahen. Auch wenn das nach sämtlichen Marvel-Eskapaden sowieso traurige Gewissheit darstellt, kristallisiert sich das Debakel bei diesem Crossover-,Epos‘ am stärksten heraus: Mit genügend Geld eignet sich das Unternehmen jegliche Charaktere und Universen (gar von anderen Produktionsfirmen) an, denn eigentlich bedeutet die Disney-Zeitschleife mehr als alles andere.
Warner Brothers lässt sich nicht lange bitten und präsentierte dem Publikum schon weit vor Kinostart den opulenten Nostalgie-Cast. Zwar arbeiten die adaptierten Comics stets mit mehreren DC-Charakteren und der Film lehnt sich an die Handlung im Buch Flashpoint an, doch die Produktion muss als multiuniversale Antwort verstehen werden. Neben Ben Affleck, der das Fledermannkostüm in Batman v Superman: Dawn of Justice sowie Justice League bekleidete, ist es insbesondere Michael Keaton, der den 1980er-Jahre Batman hochleben lassen soll. In Tim Burtons Batman und Batmans Rückkehr durfte er zuletzt vor über 30 Jahren als schwarzer Rächer durch Gotham City wandern.
Boah ist der schnell ey
Barry Allen wird abermals als leichtfüßiger Idiot eingeführt, der für seinen magischen Aufwand als Superheld stets Kalorien in Form von Sandwiches und Süßigkeiten benötigt. Erneut erinnert der komische Kauz an eine Abzieh-Version von Tom Hollands Spiderman, den artverwandte Shazam oder – um etwas weiter zurückzugreifen – Matthew Vaughns Kick-Ass und seine titelgebende Hauptfigur. Das Multiverse öffnet sich schließlich durch Barrys ganz persönliches Dilemma. Verzweifelt möchte er den Mord an seine Mutter in der Vergangenheit verhindern.
Doch die große Problematik bildet den Kern an dieser Stelle, denn die Motivik der Zeitreise wird nicht als Mittel einer Narration verwendet, sondern bildet die Geschichte selbst. Als der flinke Superheld in einer falschen Zeitebene landet und gefangen scheint, ist das bloße Ziel, wieder in seine Gegenwart zu gelangen. Auch wenn man dieses Unterfangen als persönlichen und intimen Interessenkonflikt tarnt, fällt lediglich die flippige Aufmachung und das farbenreiche Filmdesign auf.
Flash trifft also auf sein jüngeres Ich und der Zuschauer darf Ezra Miller in einer Doppelrolle erleben. Der pseudo-spaßige Ritt durch das Multiversum entwickelt sich zu einer Teenie-Komödie der 2000er, bei der die Hauptcharaktere die Rollen für einen Tag tauschen können. Der Unterschied liegt darin, dass die aufwendigen Special Effects ermöglichen, beide Charaktere gleichzeitig im Bild zu haben – eine doppelte Bestrafung. Ezra Miller darf die schlimmste Figur des Filmes bis zu dem Zeitpunkt porträtieren, bis die Alternativversion seines Ebenbildes die Leinwand – und die Nerven der Zuschauerschaft – mit aufgedrehten Sprüchen betritt. Doch liegt es nicht nur an Millers begrenztem Schauspielvermögen und dem Mangel an komödiantisches Timing, sondern sämtliche Gags wurden schon in diversen Guardians of the Galaxy Teilen durchgespielt oder von Tom Holland in ähnlich verpeilter Manier vorgetragen. Signifikant wird eine Szene, bei der ein Haufen verschrobener Charaktere über die Besetzung von Zurück in die Zukunft schwadroniert. Die Pointe zielt, wie so oft, auf von Zuschauer:innen gebildeten Inferenzen und verschleiert damit das Fehlen von komödiantischer Finesse. Richtig whacker Meta-Humor halt.

Verlustängste in der SFX-Welt
Man kann es schon metamäßige Brillanz schimpfen, dass das Recycling auf narrative Ebene fortgesetzt wird. Unsere Helden dürfen es, nach Aufspürung des wortkargen Supergirls und dem greisen Batman, mit General Zod aufnehmen, den Superman in Man of Steel bereits vor über zehn Jahren in höchster Not besiegen konnte. Vielleicht mag The Flash nicht den Anspruch haben, plump einen weiteren Bösewicht zu integrieren, um den Fokus auf das Innenleben der Protagonisten zu richten. Wofür dieses Actionspektakel dann gedacht sein soll, bleibt fraglich. The Flash wird endgültig zur traurigen Parodie seiner selbst, bei der auch Michael Keatons biederer Auftritt nichts außer nostalgische Verklärung auslöst. (Dass Keaton, unterlegt von Danny Elfmans legendären Thema, erneut im Batmobil aufheulen kann, ist nicht überraschend, aber erschreckend. Mit Birdman feierte die Schauspiel-Ikone unter Alejandro González Iñárritu sein preisgekröntes Comeback, bei dem die Vergangenheit als Superheld den Subtext des Dramas füllte. Der Auftritt in diesem Blockbuster hätte den eigentlichen Kopfschuss auf der Theaterbühne verdient).
Hätte der Film nicht ein Budget von über 200 Millionen Dollar, könnte man die grässliche Optik und das CGI-Massaker unter bestimmten Begebenheiten als charmanten Trash entschuldigen. Bei einem derart überambitionierten Superheldenfilm, der offensichtlich mit den Marvel-Endprodukten durch Nacheiferung konkurrieren möchte, sollten Kamerafahrten nicht wie Showkämpfe eines frühen Playstation 3 Spiels aussehen. Und dies soll nicht als Komplimente für die Disney-Auswüchse gemeint sein. Doch sie verkaufen ihre eintönigen Filmspektakel zumindest teurer als sie wert sind. Besonders Flash maßtragende Fähigkeit, die Schnelligkeit, wurde bspw. in X-Men: Zukunft ist Vergangenheit durch Quicksilver in amüsant inszenierten Momenten ästhetischer hervorgebracht. Selbst den Sohn aus Die Unglaublichen hat man schon sick übers Wasser rennen sehen.
Regisseur Andy Muschietti äußerte in einem Interview, dass das emotionale Zentrum des Filmes der Umgang mit familiärem Verlust ist. Die Akzeptanz mit Dingen, die man nicht ändern kann, sei die unterstrichene Message von The Flash und fokussiert damit die persönliche Note von Barry Allen. Die explizite Schmerz-Erfahrung stellt zu Beginn den Umstand dar und wird durch das Eingreifen in etwaige Vergangenheiten obsolet. Es ist richtig, dass Barry akzeptieren muss, dass er die Vergangenheit und die Gegenwart nicht ändern kann (Außer man kann noch einem Hollywood-Star einen fetten Scheck für einen Cameo-Auftritt ausstellen). The Flash kann die kleine, persönliche Geschichte nicht nur nicht einhalten, weil zwischendurch Ezra Miller Sitcom-Dialoge mit seinem zotteligen Spiegelbild forciert oder 50% der Menschen offensichtlich von einem Computer gerendert wurden. Ausschlaggebend wird, dass der Superheldenfilm die eigens konzipierte und höchst simple Message nicht einhalten kann. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern; auch nicht mit metatextuellen Kommentaren.
The Flash suhlt sich mit nervigen Dialogen, schlechten Spezialeffekten und Vertrauen in veraltete Helden in das gemachte Nest des Multiversums. Wenn man sämtliche Vergleiche mit dem ohnehin leblosen Franchise der Marvel Studios verliert, sollte man sich selbst im Genre des Blockbusters schämen.




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